Freitag, 22. Januar 2016

02.- 09.01.2016 Feuerland - Teil 2

Am nächsten Tag erreichen wir dann das südlichste Postamt des Landes mit einem offenbar berühmten Postbeamten mit markantem Schnurrbart - jedenfalls bietet er neben „normalen“ Ansichtskarten auch sein Konterfei im Warhol-Stil an. 

Südlichstes Postamt Argentiniens

Hier soll sich laut einer Tafel der geografische Mittelpunkt Argentinien befinden. Wir stutzen: Hier?! Am „Fin del Mundo“, dem (südlichen) Ende der Welt? Eine Landkarte klärt auf: Man hat es ab dem Südpol berechnet! Ein schmales Tortenstück der Antarktis gehört zum argentinischen Staatsgebiet - und das reicht bis zum Südpol.

Feuerland - der geografische Mittelpunkt Argentinien
Die folgenden Tage verbringen wir wieder in Ushuaia und machen u. a. eine Wanderung zum  über der Stadt gelegenen Gletscher Martial. Dieser macht, nebenbei bemerkt, seinem Namen keine Ehre, denn er ist aus der Ferne kaum als Gletscher auszumachen und wirkt eher wie ein Schneefeld, dass noch in der Sommersonne schmelzen wird. Und Schnee liegt hier noch an mehreren schattigen Stellen. Aber die Landschaft ist sehr schön, und von dort oben hat man einen wunderbaren Weitblick auf die Stadt, den Beagle-Kanal und das gegenüberliegende chilenische Ufer. 

Der Gletscher Partial

Wir verabschieden uns von der „südlichsten Stadt der Welt“ und fahren zur Estanzia Habberton. Unterwegs treffen wir auf Prachtexemplare der von den padagonischen Winden tief gebeugten Bäumen. 


Die Estanzia wurde 1886 von einem Engländer, Thomas Habberton, gegründet. Zu seiner Zeit lebten hier noch etliche Ureinwohner. Habberton und seine Familie zeichneten sich dadurch aus, dass sie diesen Menschen freundlich begegneten und sich für ihre Lebensweise interessierten. Er verfasste ein umfangreiches Wörterbuch der metaphernreichen Yanama’-Sprache. Dieses Volk lebte hauptsächlich von Fischfang und Seelöwen. Und sie waren nackt! Es war für uns kaum vorstellbar, dass Menschen derartig abgehärtet sein können, dass sie in dieser unwirtlichen, stürmischen, kalten Gegend ohne Kleidung überleben können. Wir haben ja schon bei den aktuellen „sommerlichen“ 10-14 Grad gefroren! Aber die Yanama’ haben das geschafft! Erst, als wohlmeinende Europäer sie mit Kleidung versorgten, begann ihr Untergang, denn ihnen war - aus verständlichen Gründen - Wäschepflege unbekannt, und so wurde die Kleidung zum Quell von Krankheiten. Zudem bewegten sie sich oft im und am Wasser, und dort ist keine Kleidung dann vielleicht doch besser als ständig nasse Kleidung. 
Bei einer Besichtigung der Estanzia, die früher von einer großen Schafzucht, heute jedoch nur noch von Touristen lebt, erfuhren wir u. a., dass es hier in Feuerland so unglaublich viele tote Bäume gibt, weil im subarktischen Klima bestimmte Bakterien fehlen, die normalerweise für die Zersetzung sorgen. Uns war schon aufgefallen, dass vieles Totholz ganz leicht und irgendwie schwammig war. Die Suche nach Feuerholz für ein Lagerfeuer z. B. gestaltete sich daher trotz der Holzmassen ringsum ungeahnt schwierig. Äste und Baumstämme, die wie relativ frisch abgestorben wirken, können nämlich bereits bis zu 2000 Jahre lang tot sein! Seither betrachten wir das viele grauen Totholz doch mit deutlich mehr Respekt!

Estanzia Haberton

Wir finden schöne Stellplätze auf dem riesigen Gebiet der Estanzia und wandern zum Beagle-Kanal.


Ein Kingfisher besucht uns

Wir fahren weiter auf der Straße soweit nach Südosten, wie es nur möglich ist. Die Strasse ist sehr holprig, das Wetter stürmisch, trüb und kalt. Irgendwann geht es wirklich nicht mehr weiter: Wir haben den südlichsten Punkt unserer Reise erreicht! Ab jetzt geht es nur noch auf dem Luft- oder Wasserweg weiter in den Süden.

Am Beagle-Kanal
Hier hört die Straße auf - weiter südlich geht es nicht
Über die Ruta 3 fahren wir wieder bis Tolhuin, wo wir auf einem witzigen Campingplatz direkt am Ufer des Lago Fagnano übernachten. Es macht hier alles einen etwas hippiemäßigen Eindruck. Der ganze Platz, sowie ein benachbartes großes Areal, dass sich selbstbewusst „Museum“ nennt, besteht aus „Abfallkunst“: Alles mögliche wurde zu diversen witzigen neuen Gebilden geformt. Es sprießen Flaschenbäume und Wände werden von Mosaiken aus bunten Plastikflaschenkappen geschmückt. Holz-Tipis bieten Windschutz, aber nur für Zelter. Wir stehen direkt am Wasser im Sturmwind, der über Nacht zum Glück ein wenig einschläft. 




Am nächsten Tag machen wir einen Abstecher zu einem alten Wrack. Die „Desdemona“ war ein Frachtschiff, dass in den 1950er Jahren in Hamburg gebaut wurde und 1985 von ihrem Kapitän nach einer Leckage bewusst auf dem Strand gesetzt wurde um das Leben seiner Mannschaft zu retten. Das rostige Wrack, das recht nah am Strand liegt, hat eine ganz eigene Faszination. Ein Kölner Paar, das wir hier treffen, ist schon seit mehreren Tagen hier und hat schon „unendlich viele“ Fotos gemacht. Thomas erinnert das Schiff an die Zeichnungen von Herge’, den Schöpfer von Tim & Struppi, und es passt ja auch genau in diese Zeit. Von der Strandseite aus wirkt es fast unversehrt. Am nächsten Tag können wir bei Ebbe drum herum laufen, und seeseitig klafft ein riesiges Loch im Heck.




Danach wartet noch ein besonderes Erlebnis auf uns: Auf Feuerland gibt es die einzige Königspinguin-Kolonie außerhalb der Antarktis. Die wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen! 
Eine Gruppe steht auf einem Areal recht nah am Wasser. Ab und an wagt sich mal ein Tier ins nasse Element.Die „Zuschauerplätze“ für die Menschen befinden sich in gebührendem Abstand. Wenige hundert Meter weiter gibt es eine zweite Gruppe. Einige Männchen bebrüten auf ihrem Füßen Eier. Es dauert noch ein Weilchen, bis die Jungen schlüpfen. Das Brüten macht sie unbeweglich, und so werden ein paar kleine Rivalitäten mit lang verrenkten Hälsen ausgetragen. Einige Jährlinge sind gerade in der Mauser und legen, recht zerrupft wirkend, ihr Jugendkleid ab. Darunter kommen die markante Gelbfärbung des Halses sowie der schwarz-weiße Festtagsfrack zum Vorschein. 






Unsere letzte Station auf Feuerland ist Porvenir. Das kleine Städtchen an der Magellanstrasse hatte seine besten Zeit um 1900 als ein kurzfristiger Goldrausch Glückssucher hierher trieb. Heutzutage wirkt das Städtchen recht verschlafen, aber sympathisch. Knapp 5000 Chilenen leben hier. Viele von ihnen haben ihre Wurzeln in Kroatien.


Porvenir, die größte chilenische Stadt auf Feuerland



Wir beschließen, die Nacht an der Küste unterhalb vom Leuchtturm zu verbringen. Eine fatale Entscheidung! Der ohnehin schon starke Wind wächst sich im Laufe der Nacht zu einem handfesten Sturm aus. Es tobt und heult ums Wohnmobil, wir werden ordentlich durchgeschüttelt. An Schlaf ist kaum zu denken.  So harren wir bis zum Morgengrauen aus, bis wir diese ungastliche Stätte  verlassen. Was für eine Nacht!

Der Leuchtturm von Porvenir
Am Tag, einem Sonntag, besichtigen wir das örtliche Museum und schlendern durch die Stadt. So vertreiben wir uns die Wartezeit auf die Fähre, die uns am Abend wieder nach Punta Arenas bringt, wo wir schon weihnachten verbracht haben. Wundersamerweise hat sich das Wetter beruhigt und wir und alle anderen Passagiere überstehen die 2,5stündige Überfahrt ohne Probleme. 

Abschied von Feuerland




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